Seekrankheit

Es kann jeden treffen. Dem Himmel sei dank, ich war bis jetzt nicht betroffen. Ich kam nur einmal vom Navigieren mit einem grünen Gesicht aus dem Salon, als in dem 40 Fuss Katamaran der Diesel in die Bilge gelaufen ist und vor sich hin dampfte.

Trotzdem gehört zur Vorbereitung eines solchen Törns, dass man sich mit der Thematik befasst. Insbesondere bei 2-Personen-Wachschichten ist es wichtig, wie man mit so einer Situation umgeht. Die Dünung auf dem Atlantik ist zudem länger und höher als auf der Ostsee. Und Passatsegeln von Ost nach West ist ein Kurs, der Seekrankheit fördern kann.

1. Was ist die Ursache für Seekrankheit?
Als Ursache der Seekrankheit gilt, dass die über den Gleichgewichtssinn im Innenohr wahrgenommenen Bewegungen wie z. B. Schaukeln in Widerspruch stehen mit den Eindrücken, die andere Sinnesorgane vermitteln, wie z. B. das Auge, welches „alles ist ruhig“ meldet. Seekrankheit wird meist verstärkt durch Fixierung des Blickes auf Objekte, die sich mit dem Fahrzeug bewegen, wie z. B. beim Lesen in einem Buch oder beim Fernsehen. Auch das Sitzen gegen die Fahrtrichtung kann die Seekrankheit begünstigen. Aus diesem Grund wird häufig empfohlen, den Salon zu verlassen, nach draußen zu gehen und den Horizont anzusehen. Das „Fische füttern“ sorgt dafür, dass durch die Magenentleerung alles Blut für das Gehirn zur Verfügung steht und somit eine schnelle Reaktion der Muskulatur (für Flucht oder Kampf) zu Verfügung steht. Offensichtlich funktioniert das nicht nur in lebensgefährlichen, sondern auch bei Angst auslösenden Situationen und eben auch bei Situationen, die durch nicht konsistent erklärbare Beschleunigungsreize ausgelöst werden, für die noch keine Anpassungsmechanismen entwickelt wurden.

2. Wie macht sich Seekrankheit bemerkbar?
Im Vorstadium empfindet der Betronnene Unwohlsein, Frösteln, Desinteresse. Er reagiert lansamer und spricht weniger. Der Puls erhöht sich und die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin erhöhen sich.

Bei zunehmender Seekrankheit entstehen kalter Schweissausbruch, Gähnen, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Abgeschlagenheit, geistige Leere, Arbeitsunlust, Desinteresse bis hin zur Lethargie, Kopfschmerzen, Schwindel, Zwangsschlucken, Brechreiz, Sodbrennen und Erbrechen. Das Gesicht verfärbt sich von blass zu grünlich.

Schwere Seekrankheit ist begleitet von extremen Unwohlsein, Erbrechen bis zur völligen Magenleere und damit später zur Dehydrierung. Er leidet häufig unter Depression und dem Gefühl, am liebsten sterben zu wollen. In besonders schweren Fällen müssen Patienten sogar festgebunden werden, damit sie nicht über Bord springen. In seltenen Fällen kann Seekrankheit bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Beschwerden zum Tod führen.

3. Prophylaxe

  • Pulverisierte Ingwerwurzel einnehmen
  • Ingwertabletten schlucken
  • Ohne Stress die Reise antreten und sich an das Schiff gewöhnen
  • Kein Rauchen
  • Kein Kaffee, Schwarztee und Alkohol
  • Viel Wasser trinken
  • Warme und trockene Kleidung
  • Rechtzeitig Segel reffen
  • Medikament: Spezialpflaster Scopoderm hinter das Ohr kleben (Scopolamin TTS,  Rezeptpflichtig!, Nebenwirkungen!)

4. Wenn’s einem übel wird

  • Ingwer kauen
  • Sich ablenken und beschäftigen lassen
  • Sich oben aufhalten und Horizont ansehen
  • Akupressur auf den sog. Neiguan-Punkt (Akupressurpunkt, 3 Finger breit von der Handgelenksfalte Richtung Oberarm, zwischen den beiden Sehnen)
  • Auf den Rücken legen, Wolken oder Sterne zählen, oder die Augen schließen. Pütz bereithalten
  • Medikament: Super Pep Forte kauen. Macht unmittelbar und sehr müde. (Dimenhydrinat, Achtung: Nebenwirkungen!)
  • Medikament: Arlevert, (Cinnarizin ggf. mit Dimenhydrinat). Achtung: Nebenwirkungen! Rezeptpflichtig!
  • Medikament: Pericephal, Stutgeron, Stugeron (Cinnarizin). Stutgeron als deutsche Variante ist eine Forte-Version und macht ggf. müde. Achtung: Nebenwirkungen! Rezeptpflichtig!
  • Medikament: Stugeron 15, 15mg Cinnarizine, ist über Online-Apotheken frei erhältlich
  • Medikament: Wenn nichts mehr hilft, dann MCP Zäpfchen nehmen (Metoclopramid). Achtung: Nebenwirkungen! Rezeptpflichtig!
  • Medikamt: Scopoderm TTS (Scopolamin). Transfermales Depot-Pflaster zum Aufkleben hinter dem Ohr. Hält 3-4 Tage. Achtung: Nebenwirkungen! Rezeptpflichtig!

In jedem Fall dem Skipper Bescheid geben und sich ggf. anlaschen lassen, damit man beim „Fische füttern“ nicht über Bord geht. Egal was Ihr macht oder nehmt: Fragt bitte Euren Arzt vorher und lest die Packungsbeilage.

5. Wichtiger Hinweis
Die meisten Mittel gegen Seekrankheit machen müde und verlängern die Reaktionszeit. Man kann also weder Auto, noch Schiffe steuern. Viele haben erhebliche zusätzliche Nebenwirkungen. Vorsicht bei Schwangerschaft. Erst mit dem Apotheker oder Arzt reden und Beipackzettel lesen.

6. Wusstet ihr schon, dass

  • Chinesen nahezu zu 100% seekrank werden
  • auch jahrelang nicht seekranke Personen plötzlich seekrank werden können
  • Schwanken bis 15% Neigung eher förderlich für Konzentration und Wohlbefinden sein können (Prinzip Schaukelstuhl) und erst mit stärker werdender Neigung das Schwanken zu immer größeren körperlichen Beeinträchtigungen führt
  • man beim Computerspielen seekrank werden kann
  • Tiere auch seekrank werden können

7. Kurioses

  • Der Knaller ist die Brille mit künstlichem Horizont für 169,- EUR: http://www.esys.org/seekrank/brille.html
  • Ein Freund von mir meinte mal, als er von Seekrankheit bei einem Törn auf der Ostsee betroffen war: „Ich weiss schon, warum der Mensch zur Gruppe der Landsäugetiere gehört…“

Euer Knut