London: Wilder Ritt über den Kanal

Datum: 16. August 2014
Zeebrugge (BE) – Ramsgate (UK) [Etmal: 90 sm]

4:30 Uhr. Der Wecker klingelt. Aufstehen, und die Frisur sitzt! Karten zurecht legen, Stifte spitzen, Landkabel und Leinen klarmachen, Crew wecken…

5:30 Uhr legen wir ab. Wir fahren raus. Der Wind steht gut mit WSW. Die Entscheidung für die südliche Route bestätigt sich, jedoch ist es „da Draußen“ sehr unruhig: es regnet zwischendurch immer wieder. Die Route hat ein Etmal von 85 sm. Es pustet 4 Bft.

Hmmm… GPS-Plotter und Radar verweigern ihre Arbeit. Mit eigenen GPS Geräten und Karten sind wir ja ausgestattet, ist aber trotzdem blöd! Gut, dass ich meine Kartensoftware von Navionics auf dem Handy habe! Das macht alles etwas einfacher.

Um 10:30 Uhr sind wir über der Oostendebank. Der Himmel zeigt etwas blau und die dunklen Wolken verziehen sich mit dem Regen.

Am Wind Kurs halten. Das zählt. Der Strom schiebt uns nach Westen und wir knattern mit der Genua 8-9 kn über den Grund. Das müssen wir nutzen. Der Wind nimmt zu auf satte 6 Bft und wir legen nach dem ersten nun das zweite Reff im Groß ein. Die Welle beträgt satte 2 m, es bilden sich Schaumkrönchen. Ein Crewmitglied nimmt vorsichtshalber etwas gegen Seekrankheit, ein weiteres füttert ein paar mal die Fische und ein drittes schlägt sich blass, aber tapfer durch. Die Fahrt wird etwas unbequem, aber alles ist gut im Griff und Capoeira zieht sauber seine Kiellinie.

13:30 Uhr. Der Wind dreht Richtung Süd wie vorausgesagt auf WSW. Wir können den Kurs nicht weiterfahren, da wir sonst zu dicht unter Land geraten und die unzähligen Flachs uns in Bedrängnis bringen würden. Also kreuzen wir zwischendurch kurz auf, nicht zu lang, um maximalen Profit aus dem schiebenden Strom zu schlagen.

14:30 Uhr. Wir schieben uns mit Motorunterstützung zwischen den Bänken „In Ratel“ und „Banc Breedt“ durch und gelangen wieder in freieres Wasser, bis wir 16:30 nördlich von Calais an das VTG, eines der Verkehrtrennungsgebiete im Kanal, kommen.

VTGs sind Wasserstraßen wie Autobahnen, mit vorgegebenen Fahrtrichtungen und einer Trennzone als Leitplanken. Die VTGs sind mit der Kiellinie im rechten Winkel zu queren, die Schiffahrt entlang des VTG – Containerschiffe, Frachter, Tanker – sind nicht zu behindern. Das heißt scharfen Ausguck halten und frühzeitig Fahrt raus- und reinzunehmen, um sicher zu queren.

Der Strom kippt wie vorausberechnet und schiebt uns nun Richtung NE zur britannische Küste, ziemlich genau in Richtung Ramsgate. Es ist schön, wenn Dinge funktionieren…

Nach einem letzten Ausweichmanöver geht’s dann weiter mit 310 Grad Kompasskurs vorbei an Goodwin Sands zum Feuerschiff vor Ramsgate. Auf dem Weg dorthin funken wir Port Control über Kanal 14 an und avisieren unsere Ankunft. Wir holen die Fock ein und öffnen das Groß. Nach einer Stunde sind wir am Tonnenstrich und holen das Groß ein. Der Strom hat zwar abgenommen, schiebt aber immer noch mit über 1 kn nach NE. Der Tonnenstrich geht nach W, so brauchen wir einen gehörigen Vorhaltewinkel, um entlang des vorgegeben Wegs in den Port of Ramsgate einzulaufen, immer einen Blick nach vorne und hinten, den Versatz zum Tonnenstrich im Auge zu behalten.

Ankunft: 20:30 Uhr. Wir sind so etwas von im Zeitplan, dass ich begeistert bin. Im Vorhafen machen wir die Leinen und Fender klar und rufen den Dockmaster über Funk auf Kanal 80 an, um einen Liegeplatz zugewiesen zu bekommen: wir sind zu groß, die Marina ist voll. Wir müssen uns im Osthafen außen an die Schwellwasserwand legen.

Es ist 4:00 Uhr in der Nacht des Folgetags. Die Sturmwarnung werden von Neptun, Rasmus und Aiolus umgesetzt. Der Wind briest weiter auf, wir liegen auflandig an der blöden Mauer mit 8 Fendern, die ordentlich gequetscht werden und hoffentlich ihren Dienst verrichten. Es rappelt, quietscht und klappert. Ich überprüfe die Leinen und Springs, korrigiere und sichere die Fender mit zwei Schlägen, da die Fenderleinen sehr hart sind und die Webleinsteeks nicht gut genug halten und durchrutschen.

Schlafen ist erstmal Ende, also schreibe ich den Blog und trink was. Keiner schnarcht, das ist besonders! Michael grunzt mich gerade kurz an und meint „Knut, Du bist echt ein ganz harter…“. Hmmm… hat nicht mitbekommen, was ich draußen eben gemacht habe…

@Thorsten, Du weißt schon wer: Du wolltest das Sturmtief wegschieben. Daraus ist ja wohl nichts geworden. Wir haben eine Sturmwarnung erhalten mit 6/7 Bft, in Böen 8 Bft. Also eher wie heute?!? Das riecht nach einem Hafentag im schönen Ramsgate.

So, ich schließ hier für heute. Ich friere, ziehe mir jetzt was an und Versuch noch eine Mütze Schlaf zu bekommen. Es ist Sommer!